Briefe an Institutionen und Politiker, Presseberichte

Der Handwerkerschreck (aus: Wochenzeitung „Die Zeit-Online“)

Die tarifvertragliche Sozialkasse der Bauwirtschaft bringt kleine Betriebe an den Rand des Ruins.

Eckhard Schiele steht vor den Trümmern seiner Existenz. Dennoch ist der 59 Jahre alte Tischler bemerkenswert ruhig. Er sagt, er habe über die Jahre gelernt, mit der Bedrohung umzugehen. Rund 115.000 Euro solle er an die Sozialkassen der Bauwirtschaft, die »Soka-Bau«, in Wiesbaden zahlen. Doch das kann er nicht: Die Bank will ihm kurz vor seinem Ruhestand nichts leihen, seine Ersparnisse verbrauchte er für die Pflege seiner krebskranken Frau. Seit dem ersten Juni ist er offiziell insolvent.

Eigentlich ist die Soka-Bau nicht für Pleiten, sondern für Sozialleistungen in der Bauwirtschaft zuständig. Unternehmer aus Nachbarbranchen assoziieren mit dem Kürzel jedoch eher Bedrohung als soziale Wohltaten. Mit saftigen Beitragsforderungen bringt die Kasse ahnungslose Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten.

Mehrere Tausend Verfahren sind bei den zuständigen Arbeitsgerichten in Wiesbaden und Berlin anhängig, auf Branchendiensten wie handwerk.com finden sich zahlreiche Beiträge von wütenden Betroffenen, die die Welt nicht mehr verstehen. Die Forderungen der Soka-Bau sorgt zunächst für Irritation, Unverständnis und später oft für den wirtschaftlichen Ruin. Die Betriebe fühlen sich ausgeliefert und machtlos – juristisch haben sie gegen die Soka-Bau meist keine Chance.

Dabei ist die Soka-Bau im Grunde eine sinnvolle Einrichtung mit langer Tradition. Die tarifliche Sozialkasse sorgt für wichtige Ausgleichsleistungen der Branche, von denen eine halbe Million Beschäftigte profitieren. Zu diesem Zweck zahlen Bauunternehmer rund 20 Prozent des Bruttolohns ihrer Beschäftigten bei der Kasse ein. Die finanziert davon etwa Zusatzrenten für die Mitarbeiter oder eine Ausbildungsumlage.

Das regelt ein spezieller Tarifvertrag, der regelmäßig vom Bundesarbeitsministerium für allgemein verbindlich erklärt wird – er gilt also für alle Betriebe der Branche, egal, ob sie den jeweiligen Verbänden angehören oder nicht. Der Großteil des Beitragsaufkommens wird in Wiesbaden als »Urlaubsentgelt« treuhänderisch verwaltet und bei einem Wechsel oder der Insolvenz des Arbeitgebers an die Mitarbeiter ausgezahlt. So sollen auch die Saisonbeschäftigten beim Bau in den Genuss von bezahltem Urlaub kommen. Sind die Mitarbeiter dauerhaft beschäftigt, bekommen die Firmen diesen Teil der Beiträge nachträglich zurückerstattet.

Aber was ist eigentlich ein Bauunternehmen? Diese Frage ist immer schwerer zu beantworten und führt zu Schicksalen wie dem von Eckhard Schiele. Ob eine Firma Soka-pflichtig ist oder nicht, können oft nur Experten beurteilen, denn die Grenzen zwischen Handwerk und Bau sind nicht mehr so klar gezogen, wie es früher einmal war. Daher gerät die Soka-Bau zunehmend in fremdes Territorium.

Wenn ein Betrieb über die Hälfte der Arbeitszeit für »baugewerbliche Tätigkeiten« einsetzt, ist er verpflichtet, Beiträge an die Soka zu überweisen. Der Begriff »baugewerblich« ist jedoch weit gefasst, 42 Kategorien wie »Bohrarbeiten« oder »Fertigbauarbeiten« sind im Tarifvertrag aufgelistet. Wirklich trennscharf ist das nicht. »Leitplanken verschrauben oder Gerüste aufbauen – das alles kann Soka-pflichtig sein«, sagt Georg Groth, der als Anwalt jährlich über hundert Betriebe gegenüber der Sozialkasse vertritt.

Oft erhalte die Soka auch Tipps von listigen Konkurrenten

Genau diese Unschärfe ist das Problem. Auch bei Eckhard Schiele war zunächst nicht klar, ob er nun zahlen muss oder nicht. 2005 ging der erste Brief aus Wiesbaden bei ihm ein. Er wusste damals mit dem Namen der Kasse überhaupt nichts anzufangen. Er sei doch Tischler und habe nichts mit dem Bau zu tun, dachte er sich. 2007 schrieb ihm die Soka nach einer ersten Prüfung, dass er nicht beitragspflichtig sei, einen Monat später widerrief sie diese Aussage. Schiele wurden letztlich »Fenstermontagen« zum Verhängnis, eine Arbeit, die er schon sein ganzes Tischlerleben lang macht. Ob eine Firma ihre Mitarbeiter tatsächlich nur saisonal oder grundsätzlich konventionell beschäftigt, spielt für die Beitragspflicht keine Rolle – alle müssen zahlen. Um beitragspflichtigen Betrieben auf die Spur zu kommen, tauscht die Sozialkasse Daten mit den Arbeitsagenturen oder dem Zoll aus.

Oft erhalte sie auch Tipps von listigen Konkurrenten, erzählen Insider. Die verdächtigen Betriebe werden dann angeschrieben und überprüft. Anschließend verlangt die Kasse, sofern der Betrieb beitragspflichtig ist, rückwirkend die Beiträge für bis zu vier Jahre – plus Zinsen. Gerade für kleinere Unternehmen bedeutet das nicht selten die sichere Insolvenz. Ratenzahlungen oder sonstige Erleichterungen sind meist nicht möglich. Nur wer besonders viel Glück hat, bekommt etwa eine Verrechnung von Beitragsschulden und Erstattungsansprüchen gegenüber der Soka angeboten, falls er seinen Mitarbeitern bereits bezahlten Urlaub gewährt hat.

Die Soka-Bau selbst verweist derweil auf ihre Aufgabe: geltendes Tarifrecht auszuführen. Man könne gar nicht anders, sagt ein Sprecher. So will die Kasse auch verhindern, dass einige Betriebe gegenüber anderen einen Vorteil bekommen. Man sei »schon aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit gehalten, alle Betriebe, die von diesen Tarifverträgen erfasst werden, zur Teilnahme an den Sozialkassenverfahren heranzuziehen«. Aus Branchenkreisen ist jedoch zu hören, dass die Verbände der Bauwirtschaft mit einigen Nachbarsektoren inzwischen Ausnahmevereinbarungen getroffen haben oder über solche verhandeln.

Vielleicht ist das aber auch gar nicht mehr nötig, denn die Problematik wird mittlerweile vor Gericht verhandelt: Gibt das Verwaltungsgericht Berlin der Klage einer örtlichen Bauvereinigung statt, könnte das schließlich das Aus für die allgemeinverbindliche Gültigkeit des Bautarifs bedeuten. »Das Soka-System in seiner heutigen Form wäre dann wohl am Ende«, sagt Anwalt Groth.

 
Der Unternehmensverband Sokafrei bekommt laufend Beschwerden über das Verhalten der Soka Bau, weil diese nur einseitig zugunsten der Soka Bau "informieren".

2 Beispiele:

1. Die Unternehmen müssen 19,8% zusätzliche Lohnkosten an die Soka Bau zahlen und bekommen 14,3% Urlaubsgeld zurück, wenn das Geld an die Mitarbeiter bezahlt worden ist. Die Soka Bau überweist den Betrag an einen falschen Empfänger/UNternehmer und meint damit sei alles erledigt. Das Unternehmen muss dagegen klagen, damit das Geld an den korrekten Unternehmer gezahlt wird.

2. Betriebe, die bisher irrtümlich nicht in der Soka Bau waren,  müssen bis zu 4 Jahre nachbezahlen. Leider können die Betriebe dann die aufgelaufenen Beträge - oftmals im 5 stelligen Bereich - nicht bezahlen und müssen Insolvenz anmelden, weil die Soka Bau keine Ratenzahlung zulässt und dadurch viele Tausende von Arbeitsplätzen pro Jahr verloren gehen.

Meine Frage: Warum setzt sich Ihre Partei nicht dafür ein, dass der allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag abgeschafft wird oder zumindest nur die Rente weiterbesteht?
 

Sehr geehrter Herr ,

die FDP-Bundestagsfraktion ist für eine starke Tarifautonomie, steht der großzügigen Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen auf nicht tarifgebundene Unternehmen jedoch ablehnend gegenüber. Denn zur grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie gehört auch das Recht, keiner Vereinigung anzugehören. Wie der Fall in der angesprochenen Branche zu lösen ist, kann auf Anhieb nicht beurteilt werden. Wir nehmen Ihre Anregungen jedoch gerne auf.

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Canel

Bundestagsabgeordnete der FDP über Landesliste

 

Sehr geehrte Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts,

mit Erstaunen habe ich den Artikel im Hamburger Abendblatt vom 28.1.10 gelesen.
In dem Artikel wenden Sie sich gegen eine lösungsorientierte Rechtsprechung, weil es nicht Ihre Aufgabe sei. Soweit so gut.
In Sachen Soka Bau / ZVK bzw. ZVK wird diese lösungsorientierte Rechtsprechung genau durch ihre Gerichtsbarkeit durchgeführt. Viele Entscheidungen Ihrer Institution legen den VTV als Tarifvertrag sehr weit aus, was dazu führt, dass erheblich mehr Unternehmen zum Bautarifvertrag gehören als nötig. Die Sozialkasse hat keine gesetzliche Grundlage, sondern ist lediglich „allgemeinverbindlich“ erklärt worden und bietet den Arbeitsgerichten ein weites Feld der eigenen – weiten - Auslegung. Am Beispiel „Bohren“ wird dies deutlich. Der Begriff wurde von Ihrem Gericht soweit gefasst, dass fast auch Zahnärzte in die Soka Bau / ZVK gehörten??!!
Außerdem versucht die Soka Bau / ZVK Abteilungen in den jeweiligen Firmen zu etablieren, was eine Einmischung in das selbständige freie Unternehmertum bedeutet, weil dann diese Betriebe ebenfalls zahlungspflichtig werden. Existieren nämlich keine selbständigen Abteilungen müssen diese Betrie­be nicht zahlen. Ihr Behörde setzt keine oder kaum Grenzen, Sie nutzen nicht die Chance die Gren­zen klein zu halten und legen den sehr unbestimmten VTV weit aus. Dies führt dazu, dass viele Betrieben in die Insolvenz getrieben werden was viele Arbeitsplätze vernichtet, da die Soka Bau / ZVK vier Jahre rückwirkend die Beiträge eintreibt und keine Ratenzahlung zulässt. Dadurch verlieren Deutschland sicherlich Hunderte, wenn nicht Tausende ihre Arbeitsplätze oder werden in die Schwarzarbeit getrieben, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Dies ist/war sicherlich nicht Sinn und Zweck des Sozialkassenverfahrens.

Die Ziele von Sokafrei sind die unsinnigen Bestimmungen des VTV bzw. die Allgemeingültigerklärung des VTV abzuschaffen, weil die Soka Bau / ZVK nicht mehr zeitgemäß ist. Sie kostet mehr Arbeitsplätze als sie schützt. Dies dürfte auch im Interesse der Arbeitsgerichte sein.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Loose
Geschäftsführer

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